Auch zum letzten Dansha-Lehrgang für das Jahr 2009, konnte Sensei Fritz Nöpel wieder viele Dan-Träger und –Anwärter in Kamen begrüßen. Es waren 40 Karateka angereist, die bei ihm und seinen Gast, Martin Nienhaus (4.Dan Shotokan) auf ihrem weiteren Karate-Weg etwas lernen wollten. Den ersten Teil des Lehrgangs bestritt Sensei Nöpel. Nicht zum erstenmal betonte er die Unterscheidung von Trainer und Lehrer. Der Lehrer, der auf die unterschiedlichen Schüler eingeht und mit Lob, sowie Tadel maßvoll umgehen kann. Der ein Auge für die Fehler seiner Schüler hat und auch erkennt, wenn seine Bewegungen zwar noch nicht richtig sind, er aber auf dem richtigen Weg ist. Der für seine Schüler eine Vertrauensperson ist, die seinen sportlichen Weg  begleitet und ihn in die richtige Richtung führt. Das dies nicht immer einfach ist, musste Sensei Nöpel aber zugestehen. Oftmals sind Dojo-Leiter gezwungen, mit einem 1. Kyu oder 1. Dan ein Dojo weiterzuführen. Obwohl vielleicht eine technische Qualifikation vorhanden ist, fehlt es eventuell an Führungsqualitäten und eine mangelnde technische Ausbildung kann nicht von guter Menschenführung ausgeglichen werden. Es gilt also, beides zu entwickeln und zu fördern. Um Karateka Hilfen und Anregungen zu geben, hat Sensei Nöpel bei diesem Lehrgang mit praktischen Übungen zu diesem Thema begonnen und wird dies im nächsten Jahr fortführen. An diesem Tag stand die Begutachtung von Selbstverteidigungstechniken im Vordergrund. In kleinen Gruppen wurden die Techniken vorgezeigt und analysiert. Fehler wurden  aufgezeigt und Verbesserungsvorschläge gemacht. Oder Abläufe gelobt, wenn sie wirkungsvoll und durchdacht waren.
Drache 1Drache 2
Nach der Pause übernahm Martin Nienhaus und die Thematik änderte sich.  Qi, Energieübungen und die Bildersprache der Kata standen nun auf dem Programm. Nach relativ ungewöhnlichen ( jedenfalls für die Anwesenden ) Aufwärmübungen ging es dann in den Bereich der Energieübungen. Fließende, harmonische Bewegungen sind für einen Karateka in der Regel schnell und enden hart. Jetzt wurde aber genau das Gegenteil gefordert. Mit der Atmung langsame Bewegungen ausführen, ohne Kraft und Kime. Das dies nicht gerade einfach ist, aber wie so vieles einfacher aussieht, konnten die Teilnehmer am eigenen Leib erfahren. Am Beispiel der Kata Bassai Dai zeigte Martin dann auf, wie man sich mit Hilfe von Bildern einen anderen Zugang zur Kata verschaffen kann und vielleicht so besser einzelne Sequenzen behält. Er wählte dafür den Drachen und erklärte einzelne Passagen mit „drachentypischen“ Techniken. Ein Blick über den Tellerrand der besonderen Art. Er hat Appetit auf mehr gemacht.

Einsatz von Körperwaffen
Hanshi Fritz Nöpel gab am 22. November in der RAG-Sporthalle Bergkamen einen Breitensportlehrgang zum Thema Kobudo.
Als Assistent stand ihm Alf Lehmann (3. Dan Goju-Ryu) hilfreich zur Seite.
Der erste Teil wurde von Alf geleitet, derweil Sensei Fritz Nöpel die Teilnehmer  aus dem Hintergrund beobachtete. Alf kam es darauf an, die Karateka zu flüssigen Abwehr-Konter-Kombinationen zu führen. Es sollten zuerst einmal die eigenen Körperwaffen zum Einsatz kommen. Hierzu gab er eine Übung vor: Abwehr mit Dreierkontakt - Abwehr Yoko-Uke auswärts, Weiterführung mit Yoko-Uke einwärts und nochmals Weiterführung auswärts mit Haraiotoshi-Uke um dann übergangslos mit Oi-Zuki Chudan zu kontern. Alf mahnte immer wieder eine flüssige und dynamische Ausführung an. Als zweite Übungs-Kombination hatte Alf die folgende gewählt: Age-Uke mit offener Hand gegen angreifenden Furi-Uchi, weiterleiten und mit Furi-Uchi den Partner seinerseits angreifen. Nun waren die Teilnehmer bestens präpariert, um aus diesen Übungs-Kombinationen praktische Selbstverteidigungs-Praktiken zu entwickeln. Die Zielvorgabe von Alf Lehmann lautete: Eine Abwehraktion sollte von mindestens zwei, besser drei, wünschenswert vier oder mehr Konter-Aktionen gefolgt sein. Alf betonte insbesondere auf ein Ineinanderfliessen der Techniken unter kontinuierlicher Ausatmung zu achten. Die Abwehr-Konter-Kombinationen muss wie aus einem Guss vorgetragen werden.

 

HanboNach einer kurzen Mittagspause mit Kaffee und süssen Appetithappen übernahm dann Fritz   Nöpel die Leitung und stieg in das Hauptthema des Lehrgangs ein. Als Einstieg ließ er eine Partnerübung mit Bambusstock als Messer-Attrappe ausführen. Das Ergebnis war für die Teilnehmer ausnahmslos desillusionierend: Die Chancen, gegen einen entschlossen vorgetragenen Messer-Angriff zu bestehen, tendierten gegen null. Bei einem Gegenangriff mussten schwerste  Verletzungen in Kauf genommen werden. Jedoch ließ Fritz Nöpel die Teilnehmer nicht in ihrer Frustration allein, sondern zeigte Lösungswege auf. Der Schlüssel zur Lösung des Problems lag darin, einen Distanzvorteil zu gewinnen, beispielsweise durch Hilfsmittel wie Gehstock oder Regenschirm (Hanbo lässt grüssen). Kann ich also meinerseits eine Waffe dagegen setzen, die eine deutlich grössere Reichweite als die des Gegners hat, wendet sich der Vorteil zu meinen Gunsten, auch obwohl ein Stock nicht die Schärfe und Durchdringung eines Messers hat. Immer unter der Voraussetzung, dass ich mit meiner Waffe vertraut bin und sie beherrsche gilt: Reichweite rangiert vor Kampfkraft. Überspitzt formuliert hiesse das: Mit einem Garten-Rechen kann ich auch einen Bemesserten auf Abstand halten. In den Bauern-Kriegen des Deutschen Mittelalters waren selbst Knechte mit langen Dresch-Flegeln ernst zu nehmende Gegner. 
Der zweite Aspekt, der Fritz Nöpel in diesem Zusammenhang wichtig war lautete, die Waffe nicht als Gegenstand zu begreifen, sondern wie mit einer Prothese mit ihr eins zu werden und als solche anwenden. Auch mahnte Fritz Nöpel, nicht auf die eigene Waffe (Hanbo) fixiert zu sein, und die eigenen Körperwaffen nicht zu vernachlässigen. Seine Empfehlung lautete, mögichst als Abschluss-Technik noch einen Mae-Geri zu setzen. Anschliessend wurden konkrete Situationen zum Thema Selbstverteidigung mit dem Hanbo geübt: Stockschlag zum Kopf, Stockhieb zur Schläfe, Stockhieb und das Griffsprengen.
Zum Abschluss durfte nochmal richtig „Gas gegeben“ werden, beim beliebten Shinai-Kumite, einer Reaktionsübung aus sieben schnell aufeinanderfolgenden wechselseitigen Angriffen. Hierbei zeigte sich, wie enorm der Kiai die eigene Entschlusskraft befeuert. Als Ausklang folgte noch Historisches aus dem alten Japan.




Es gab sicher viele der Teilnehmer die sich, als sie morgens in ihr Auto stiegen um nach Kamen zu fahren, gefragt haben, ob es nicht schönere Beschäftigungen gäbe, als bei strahlend blauem Himmel und mit Temperaturen bei fast 30°C, in einer Turnhalle zu schwitzen. Aber Lehrgänge mit Hanshi Fritz Nöpel sind immer eine Reise wert und so fanden sich 22 Karateka mit Dan oder Ambitionen zum Dan, in Kamen ein. Ihr Interesse wurde auch belohnt, denn es war ein sehr vielschichtiger Lehrgang, der alte Fragen aufwarf, beantwortete und neue Fragen stellte.
Wie zu Beginn eines jeden Dansha-Lehrgangs nahm sich Sensei Nöpel die Zeit für einen theoretischen Exkurs. Diesmal stand der Dan-Träger im Vordergrund. Als Schüler und als Lehrer. Seine Verantwortung im Dojo sich selbst gegenüber und seinen Schülern. Do, der Weg, der kein Ende hat. Er betonte die Notwendigkeit, dass mehr Lehrer in Karate-Dojos gebraucht würden, als Trainer. Lehrer, die die Unterschiede ihrer Schüler erkennen und sie in ihren Stärken fördern. Auch Menschen, die als Vorbilder tätig sind und Karate – Do, Dojokun vorleben.Sv mit Mawashi Uke
Seine Beobachtungen bei Lehrgängen und Prüfungen veranlassten ihn, im praktischen Teil etwas näher auf das Kihon-Ido einzugehen. Besonderes Augenmerk legte er auf die Drehungen, die vielfach nicht richtig ausgeführt werden. Als Ergänzung erläuterte Sensei Christian Winkler, welche Fehler im Kihon-Ido bei der letzten Dan-Prüfung vorkamen und solche Fehler dazu führen können, dass man die Prüfung nicht besteht. Kihon, als Basis eines Karateka sollte genauso intensiv und sorgfältig geübt werden wie die anderen Prüfungsbestandteile. Vor allen Dingen nicht erst kurz vor der Prüfung, sondern immer.
Nach der Pause wurde auf den Bereich der Selbstverteidigung eingegangen. Ein Angriff zum Hals sollte mit Mawashi Uke und frei wählbaren Kontertechniken beantwortet werden. Hier  durften die Teilnehmer ihre Vielseitigkeit, Genauigkeit und Entschlusskraft demonstrieren. Leider war Sensei Nöpel mit den gezeigten Leistungen nicht zufrieden und so musste weiter geübt werden. Auch nach weiterem Üben waren immer noch Mängel zu erkennen. Ihm fehlte die Genauigkeit in den Techniken mit der Überzeugung, dass sie auch wirken würden. Für die Teilnehmer eine Herausforderung in den nächsten Wochen und Monaten daran zu üben, um nicht nur für die nächste Prüfung vorbereitet zu sein.

SepaiIm letzten Teil dieses Dansha-Lehrgangs stellten Christian Winkler und Alf Lehmann Bunkai-Sequenzen aus der Kata Sepai vor.  Zuerst wurde in der Omote-Form gearbeitet und schließlich in immer freier werdenden Abarten, die zur freien Selbstverteidigung führten. Dabei wurden die grundlegenden Bewegungen der Kata beibehalten, aber freie Formen hinzugefügt. Hier zeigte sich auch, dass Bewegungen aus der Kata in der Bunkai oft nicht funktionieren, bzw. funktionieren können, weil der Anwender nicht um die Bedeutung weiß. So weicht man oft in der Bunkai zu weit aus und die Distanz für weiterfolgende Techniken ist zu groß. Weiß man aber nicht um die Bedeutung der Sequenzen in der Kata, kann man sie auch dort nicht richtig ausführen. Ein Teufelskreis, den man nur durch ausprobieren und üben durchbrechen kann. Nur so gelingt es die Bewegungen der Kata besser zu verstehen und sinnvoller umzusetzen. 

Ein Lehrgang, der mal wieder gezeigt hat, dass, wie bei einer Uhr, viele Zahnräder ineinander greifen müssen, damit sie funktioniert. Jedes einzelne ist wichtig um die Funktionalität zu gewährleisten. So greifen auch im Karate die einzelnen Bausteine ineinander um hinterher perfekt zu funktionieren. Solche Lehrgänge helfen dabei, Ideen zu bekommen und neue (Erfahrungs-)Wege zu beschreiten. Sie machen neugierig, ermuntern und zeigen Fehler auf.  Den Weg, sein eigenes  Karate zu finden, muss aber jeder letztendlich alleine gehen.