„Sensei, gibt es eine Definition von ‘hart‘ und von ‘weich‘ im Karate-Do?“

„Ja. ‘Hart‘ ist Spannung, und ‘weich‘ ist Entspannung. Wenn ich anspanne, atme ich aus, und wenn ich entspanne atme ich ein.“

„Sensei, bedeutet das, dass ich bei Abwehrtechniken einatme?“

„Manchmal, aber nicht immer. Es kommt auch auf den Gegner an.“

Manchmal lassen einen Antworten fragender zurück als die Fragen, die gestellt wurden. Aber vielleicht ist das auch ein Wert an sich, da sich die eigenen Theorien an der Antwort messen lassen müssen. Vielleicht entwickeln sich dadurch auch neue Theorien, die sich durch die Praxis verifizieren lassen oder geändert werden müssen.

Sensei Fritz Nöpel legte beim Jukuren-Lehrgang den TeilnehmerInnen ausdrücklich die Verantwortung für die eigene Entwicklung im Karate-Do ans Herz. Dazu gehört auf jeden Fall, die eigenen Waffen zu schärfen. Hierbei sollte sich jede/r die chinesische Sichtweise zu Eigen machen. Beim Trainieren einer Technik sollte sich der Kopf fragen: „Ist die Technik gut?“, „Kann ich das?“ Wenn die Frage mit „Ja“ beantwortet wird, sollte sich das Herz fragen: „Kann ich diese Technik?“, „Kann ich mit der Technik jemanden verletzten?“ Wenn dies auch mit „Ja“ beantwortet werden kann, dann wird die Technik im Hara gespeichert und ist im Notfall abrufbar. In diesem Zusammenhang sei das Dojo-Kun als Charakterschulung von Anfang an sehr wichtig, um in bestimmten Situationen angemessen handeln zu können. Neben dem Techniktraining legte er den DanträgerInnen auch die Kata und die Kata-Bunkai ans Herz, um als Fortgeschrittene weitergehende Erkenntnisse zu gewinnen und um sich selbst Neues zu erschließen.

Nach dieser Theorie wurde der Lehrgang praktischer. Die TeilnehmerInnen trainierten nach einer Aufwärmphase die richtige Entfernung zum Trainingspartner/zur Trainingspartnerin für die Abwehr und die Kontertechnik. Zunächst wurde im Stand mit Mawashi Uke abgewehrt. Als Konter sollten jeweils drei Techniken gemacht werden. Im Verlauf des Lehrgangs variierten sowohl das Ausweichen (nach hinten, zur Seite und nach vorne) als auch die Mawashi Uke (kleine Ausführung, große Ausführung, Abwehr nach oben bzw. nach unten). Die Kontertechniken sollten dann für die jeweilige Distanz in die sich öffnende Lücke gemacht werden.

Auch das gegenseitige Vertrauen zum Trainingspartner/zur Trainingspartnerin spielt eine große Rolle, um sich weiter zu entwickeln. Als Vertrauensübung kann vor dem Training festgelegt werden, dass Tori seine Techniken jederzeit kontrollieren muss. Als Uke (Abwehrender/Abwehrende) kann man dann auch manchmal die Abwehr einfach unterlassen. Dafür hat man Zeit, sich ganz bewusst die „auf sich zu fliegende“ Technik anzusehen. Die Vorteile seien vielfältig; das Auge gewöhne sich an die Schnelligkeit der Techniken, es bestehe kein Druck, den Angriff „abwehren zu können/müssen“ und mit der Zeit sehe man kleinste Anzeichen, dass der Angriff bevorsteht. Bei der praktischen Umsetzung zeigte sich dann, dass diese Vorgehensweise (auch mal nicht abzuwehren) sehr ungewohnt und trainingsbedürftig war.